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Weihnachtsgeschichte

«Michael!» er wusste jetzt genau, es war zu spät. Zu spät, um es gut zu machen, einfach zu spät.

Michael war ein kleiner Weihnachtsengel. Eigentlich liebte er es anderen zu helfen, vor allem wollte er Freude und Hoffnung weiterbringen. Doch trotzdem war er schnell abgelenkt und seine Schwäche, die Keksdose immer wieder aufzuessen, halfen dagegen nicht.

Vor ihm stand der Oberweihnachtsengel Raphael. Zornig. Ach ja, Michael hatte wohl wieder die Kekse geleert. Und es könnte sein, dass dabei die edle Keksdose kaputt ging….

«Michael! Ich warnte dich das letzte Mal! Wenn du noch einmal die Keksdose leerst! Und dann hast du noch die Dose kaputt gemacht!» es war klar, er musste sich zusammenreissen nicht aus den Nähten zu platzen. Michael hingegen suchte verzweifelt nach einem Ausweg, er hatte einfach zu wenig gute Taten vollbracht, um aus dieser Situation ohne Folgen herauszukommen. Vielleicht nur aus Kekssituation, aber nicht aus der Dosensituation. Ein angeblicher guter Mensch hat die mal irgendwem als Dank gegeben. Das Einzige was Michael von dieser Geschichte hörte, war, dass dieser angeblich mehr gute Taten in seinem sterblichen Leben vollbrachte, als Michael es womöglich je schaffen würde. Sehr aufmunternde Geschichte.

«Du bekommst die letzte Chance! Bis am Weihnachtsabend hast du den Fall der Akte «AZ» erledigt. Falls du es nicht schaffst, verlierst du deine Flügel und wirst zum Menschen!» Der Akte «AZ»? Dieser galt als unmöglich zu erfüllen und war in Bearbeitung gewesen, schon bevor Michael überhaupt als Weihnachtsengel tätig war. Den zwei am meisten verfeindeten Städten der Welt sollte Frieden beschert werden? In drei Tagen sollte das lange ungelöste Problem gelöst sein? Wie sollte gerade er das in dieser Zeit schaffen? Nicht einmal die einfachsten Aufgaben konnte Michael lösen, oftmals wusste er schliesslich nicht, wo beginnen. Trotzdem wollte er endlich mal einen Auftrag zu Ende bringen. Er wollte, dass man ihn mit anderen Augen betrachte, ihn wahrnahm als dieser Engel, der er auch war und nicht nur den Unruhestifter.

«Aber wie?», meldete sich Michael nun zum ersten Mal zum Wort. «Nutz deine Magie, und lass dich nicht blicken, du weist Kinder und Tiere können uns sehen!» Nicht eine Sekunde später war er nicht mehr im Himmel. Das letzte Mal, als er auf der Erde war, sollte er ein Ehepaar davor bewahren, sich zu trennen. Er hatte es dann irgendwie geschafft, alles nur noch schlimmer zu machen. Aber auch zuvor hatte er immer wieder Probleme, seine Aufgaben zu lösen, weshalb er oftmals Erde-Verbot hatte. Diese Strafe war unerträglich, denn er fühlte sich eingesperrt. Das Einzige, was ihm durch diese Zeit half, waren Menschendinge wie eben Kekse. Nur dummerweise musste dieses Mal die Box auf den Boden fallen.

«Kann ich dir helfen?», eine unbekannte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Ein kleines Mädchen stand vor ihm und blickte ihn mit seinen Teddybär-Augen an. So wurde die erste Regel schon mal gebrochen. Toll, dachte sich Michael. «Die Frage sollte eher sein, was machst du hier allein?» So ein junges Mädchen sollte sich doch gar nicht erst allein durch die Welt schlagen. «Meine Mutter schickte mich zu den anderen Kindern, um zu spielen, aber die lassen mich nicht, mein Vater ist von dieser anderen Stadt.» Obwohl sie von den anderen ausgestossen wurde, fragte sie Michael, ob sie ihm helfen konnte. Ein Fremder. Dies bewunderte Michael, er wollte so gern der Kleinen helfen, doch hatte er eine Aufgabe. «Ich geh dann mal weiter, geniess deinen Tag.» Ihm fiel es schwierig, das kleine Mädchen einfach so hinter sich zu lassen. Aber es musste sein. Denn wenn er seinen Auftrag nicht erfüllen würde, würde er seine Flügel und deren Magie verlieren. Schon mit Magie versagte er, ohne wäre er verloren.

Michael hatte jetzt noch zehn Stunden bis Mitternacht. Schlaf würde er aber auch noch brauchen, gerade wenn er Magie verwenden würde. Er war es noch nicht gewohnt, Magie ständig zu nutzen, schliesslich konnte man im Himmel sie nicht anwenden und so viele Aufgaben auf der Erde hatte er auch wieder nicht. Michael suchte sich als Erstes einen unauffälligen Platz. Neben einer Schreinerei war ein kleines Schlupfloch, hier würde ihn sicher niemand finden. Er musste nachdenken können und zur gleichen Zeit schauen, dass ihn kein weiter Mensch sieht. Ihn würde es nicht wundern, wenn ein weiter Engel hier wäre, um ihn zu beobachten. Eigentlich wunderte es ihn, dass noch niemand hier war, um ihn auf den Verstoss aufmerksam zu machen. Michael überlegte sich, wie er überhaupt mit seiner Aufgabe beginnen sollte.

Vier Stunden später war Michael noch immer in seinem Versteck. Noch immer versuchte er auf einen grünen Zweig zu kommen. Doch plötzlich wurde er unterbrochen. Ein intensiver Duft schwirrte durch die Luft. Kekse. Natürlich, wieso auch nicht. Michael versuchte den Duft zu ignorieren und ihm wurde erst bewusst, dass bereits dunkel war. Klar könnte er einfach schnell einen Keks mitgehen lassen. Trotzdem musste er sich jetzt auf den Auftrag konzentrieren. Wieso war dies so schwierig? Der Duft schien immer intensiver zu werden, oder die Konzentration von Michael liess einfach nach. Wenn er erfolgreich sein würde, könnte er nachher so viele Kekse essen, wie er nur wollte und konnte. Ihm würde der Himmel zu Füssen liegen. Aber die Frage war nur WIE?

Nach einigem Überlegen wurde ihm bewusst, er musste nach dem Ursprung suchen. Aber da es bereits nachts war, entschied er sich am nächsten Morgen aufzubrechen. Aufgrund seiner wilden Gedanken dauerte es eine Weile, bis er einschlafen konnte. Umso länger schlief er auch am Morgen. Plötzlich spürte er etwas Feuchtes. Mit einem Ruck war Michael wach und aufgerichtet. Ein Hund blickte ihn an. Ernst jetzt? Zuerst ein Kind, jetzt noch ein Hund. Ein Verstoss nach dem anderen. Er blickte einige Mal umher, um sicher zu sein, dass ihn wirklich niemand sah, ausser natürlich dieser Hund. So konnte er dennoch unbemerkt aus seinem Versteck kriechen. Der ganze Tag brauchte er, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Leider nicht genug und es war bereits wieder Abend. So hatte er jetzt nicht mehr ganz zwei Tage Zeit. Am nächsten Tag würde er wohl die Stadt verlassen und den Fluss überqueren zur anderen Stadt. Vielleicht würde er etwas herausfinden.

Am Morgen, dieses Mal wachte er zum Glück früher auf, machte er sich auf den Weg. Er entschied sich zu laufen, denn erstaunlicherweise waren einige Kinder schon in der Stadt umher, er dürfte nicht erneut auffallen. Schon gar nicht fliegend. So erblickte er das kleine Mädchen von letztens. Wieder allein und trotzdem winkte es ihm glücklich und freundlich zu. Für Michael war herzzerbrechend einfach nur winkend weiter zu gehen. Er musste etwas tun. Aber auf der anderen Seite würde er ihr sicher helfen, wenn er die Aufgabe erfüllt. Wenn er es schafft. Nach einer Stunde war er wohl endlich ausser Reichweite der Stadt und der Fluss kam näher. Die Brücke war zerstört. Niemand schien es zu interessieren. War der Hass dieser Menschen wirklich so hoch? Das konnte doch nicht sein. Michael konnte ganz einfach drüber fliegen und er tat es auch. Da es jetzt bergauf ging, fühlte er sich nun wohler weiter zu fliegen. Kurz vor der Stadt beschloss er wieder zu Fuss zu gehen und schlich durch die Stadt. Aber auch hier war er nicht fündig. Schliesslich wusste er auch nicht wirklich, nach was er suchte.

Von seinem Instinkt geleitet, flog Michael wieder zur anderen Stadt. Doch bevor er den Fluss überquerte, erblickte er erneut die Brücke. Vielleicht könnte er etwas machen … er überlegte kurz und entschied sich, das lockere Holz beiseitezulegen. Dieses Holz reichte nicht und zusätzlich bräuchte er noch einen Hammer und Nägel. Ihm fiel ein, neben seinem Versteck war doch diese Schreinerei. Schnell flog er zur Schreinerei und holte das nötige Material. Es war bereits dunkel, aber Michael schien es nicht zu merken. Die ganze Nacht versuchte er die Brücke zu reparieren. Es schien zu Ende zu gehen sowie die Nacht auch. Er war überrascht, wie schnell die Zeit ging. Obwohl er tot müde war, wusste er, dass er jetzt nicht schlappmachen konnte. Noch an diesem Tag sollten sich die Städte vertragen. Was sollte er also als Nächstes machen, war es überhaupt möglich? Nach einigem grübeln fiel ihm das kleine Mädchen ein. Wenn er schon nicht die Stadt retten kann, wenigstens sollte er ihr helfen. Schnell flog er zurück in die Stadt.

Wie erwartet sah es genau so aus wie in den letzten Tagen. Bevor sie ihn jedoch sehen konnte, beschloss er zu den anderen Kindern zu gehen. «Wieso lässt ihr sie nicht mitspielen?», fragte er schliesslich. Ein Junge gab rasch zur Antwort: «Ihr Vater ist Abschaum.» – «Was hat das aber mit ihr zu tun?», entgegnete Michael. «Eigentlich nichts», bemerkte nun ein weiteres Kind. «Wir sollten sie fragen, ob sie mitspielen will», meinte nun jemand anderes. Michael freute sich, wie einfach man doch jemandem Freude überreichen konnte. Die Kleine strahlte vor Glück, und als sie mich sah, fragte sie: «Warst du das?» Kaum nickte Michael kam sie einen Schritt näher und umarmte ihn. Noch nie hatte dies jemand gemacht. Ein schönes Gefühl war es. Michael genoss die Zeit mit den Kindern, … bis er eine bekannte Gestalt im Hintergrund sah. Raphael. Grossartig … er hatte wohl durch dieses Gefühl willkommen zu sein, vergessen, dass der Weihnachtsabend nun bald vorbei war. Eher besorgt lief er zu ihm und begrüsste ihn ein wenig mürrisch.

Über die Reaktion von Raphael war Michael überrascht: «Ich bin stolz auf dich! Du hast es beinahe geschafft, du bist weitergekommen als niemand anders. Es scheint, als wäre es ein noch längerer Prozess, bis wieder alles gut ist zwischen den beiden Städten. Du kannst deine Flügel behalten, du hast dich genügend bewiesen.»

«Ich habe es aber nicht geschafft, du sagtest ich wäre meine Flügel los. Ich glaube, ich kann hier als Mensch mehr bewirken. So übel sind sie nicht, es ist immer noch Hoffnung da. Um Freude zu verbreiten brauche ich keine Flügel, das ist mir in den letzten Tagen klar geworden.»

«Wie du meinst, aber du weisst, du wirst älter … und irgendwann …»

«Ich weiss, aber das ist doch das Schöne, etwas aus dieser begrenzten Zeit zu machen und Spuren zu hinterlassen.»

So ging Michael, welcher nun endlich sichtbar für alle war, zurück in die Stadt. Und wenn du denkst, du brauchst ein Michael in deinem Leben, nimm dir vor, auch ein Michael für jemanden anders zu sein.

— Ende —